Der KNK als Orientierungshilfe im Übergang von Schule zum Beruf
Zur Ausgangssituation
In der aktuellen Diskussion um Bildung und Lernen zeigen sich neue Dimensionen im Verhältnis von formalen Lernen (Lernort Schule), nonformalen Lernen (außerschulische Lernorte) und informellen Lernen (z.B. Familie, peer groups, Freizeit u.a.):
- „Der Unterschied zwischen formalen und non-formalen Lernen liegt in dem Grad der Formalisierung der Bildungsarrangements".
- während formales Lernen sich in einem Lernort und informelles Lernen sich in einer Lernwelt abspielt, kann non-formales Lernen sich sowohl in einem Lernort als auch in einer Lernwelt abspielen.
- Informelles Lernen kann sowohl als Voraussetzung als auch als Fortsetzung formaler und non-formaler Lernprozesse verstanden werden!“ (DJI-Studie 2014: 23)
Diese Aussagen bedeuten, dass in der Schule natürlich der Schwerpunkt auf dem formellen Lernen liegt, aber durchaus auch Elemente des non-formalen Lernens sowie des informellen Lernens von Bedeutung sind. Ebenso gibt es auch im außerschulischen Bildungsbereich Angebote und Inhalte, die ihrerseits formalisierten Lern-bzw. Bildungsstandards entsprechen, auch wenn sich der Schwerpunkt im Feld des non-formalen Arrangements befindet.
Längst ist also deutlich geworden, dass alle drei Lern-und Bildungselemente ihre Funktion haben, um Jugendliche auf die Herausforderungen aktueller und zukünftiger Arbeits- und auch Lebensanforderungen vorzubereiten. In den 2002 vom Bundesjugendkuratorium veröffentlichten Leipziger Thesen „Bildung ist mehr als Schule“ heißt es dazu unter These 10 Bildung erfordert neue Formen der Vernetzung:
„Die verschiedenen Bildungsinstitutionen haben einen je eigenen Bildungsauftrag .Auf der Grundlage der Bedürfnisse und Interessen junger Menschen müssen die Bildungsaufgaben von Familie, Jugendhilfe, Schule und Berufsausbildung neu verbunden und aufeinander abgestimmt werden. Dabei sind vor dem Hintergrund heterogener und komplexer Lebenslagen die Übergänge zwischen den Bildungsorten neu zu gestalten … „(BJK 2002: 12)
Der KNK als non-formales Lehr- und Lernangebot in der Schule
Die Einbeziehung des Kompetenznachweis Kultur (KNK) in den schulischen Lehr-und Lernzirkel würde der Schule gut tun und das in einem mehrfachen Sinne
Zum Umgang mit den Kompetenzen
Erstens bietet sich hier in Bezug auf die seit PISA vorgegebene Umstellung der Lehrpläne auf den Kompetenzbegriff und der damit verbundenen Orientierung der Lehr- und Lernprozesse an, Kompetenzen die Chance, erfahrungs- und prozessorientiert im Rahmen spezifischer Projektangebote im Bereich kultureller Schwerpunkte wie z.B.: Literatur – Medien – Theater – Bildnerisches Gestalten - Bewegung & Tanz den Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler 'auf die Spur zu kommen', sie dabei sichtbar und benennbar zu machen.
Damit kann die geforderte Kompetenzorientierung direkt und produktiv für alle Beteiligten umgesetzt werden.
Vor allem für Schulen, die daran arbeiten, sich ein kulturelles Profil zu geben, ergibt sich hier durch die Einbeziehung und Anwendung des KNK-Prozesses die Möglichkeit, die Bedeutung der Profilorientierung mit entsprechender Wirkung nach innen und außen zu dokumentieren und Schülerinnen und Schülern ein positiv orientiertes Kompetenzprofil mit auf den Weg zum Übergang ins Berufsleben bzw. weiterer Bildungswege zu geben.
Erkennen – wahrnehmen - wertschätzen
Zweitens eröffnet sich für die Lehrerinnen und Lehrer, die im Rahmen von kulturthematisch orientierten Lehrveranstaltungen und Projekten mit dem Instrumentarium des KNK arbeiten, erfahrungsgemäß auch eine neue Lern -und Erfahrungswelt.
Sie werden feststellen, wie eingeschränkt und oft ungenau ihre Einschätzungen von Person & Kompetenzen der einzelnen Schüler/innen unter den bisherigen Bedingungen war und welche Veränderungen sich in einem anderen prozessorientierten Rahmen durch konzentrierte Beobachtung sowie Selbst- und Fremdreflexion nun zeigen können.
Da es sich beim KNK im Kern um die Entdeckung der individuellen Stärken und um eine positive „Bestärkung“ der im Projekt / bzw. der Lehrveranstaltung sichtbar werdenden Kompetenzen geht, kann sich hier in diesem Rahmen auch eine neue Lernkultur entwickeln.
Die ist geprägt durch einen dialogischen Prozess zwischen Lehrperson (hier KNK-Berater/in) und Schüler/in, bei dem es darum geht, im Einzel-oder Gruppengespräch, die Ergebnisse der Selbst-und Fremdbeobachtung zu konkretisieren, die Kompetenzen des einzelnen zu benennen und dadurch sichtbar, erkennbar und nutzbar zu machen.
Dies impliziert auch das gegenseitige Lernen im Umgang mit dem Positiven, der positiven Bestärkung und überhaupt der Benennung von Stärken in einem Umfeld, das erfahrungsgemäß eher von der Betonung des Defizitären ausgeht.
Ernsthaft, themenorientiert und gruppenbezogen entsteht eine Atmosphäre, in der die Lehrerin/der Lehrer zur Mentorin/zum Mentor des Einzelnen bzw. der Projektgruppe oder Klasse wird. In diesem Prozess hilft die Funktion als KNK-Beraterin/KNK-Berater und ermöglicht dieses neue Umgehen und Lernen miteinander.
Die Berater/innenfortbildung zum KNK gibt den Anwender/innen ein jetzt in 10 jähriger Praxis erprobtes und erfolgreiches Konzept an die Hand, das durch Kriterien zur Praxisanalyse in Bezug auf Kompetenzen, Kriterien zur Beobachtung, zur Selbst- und Fremdreflexion, zum dialogischen Prozess und zur Erstellung des Nachweises das Handwerkszeug zur praktischen Umsetzung des KNK bildet, die pädagogische Professionalität erhöht und durch die Anwendung Qualitäten schafft, die sich auf den 'normalen Unterricht' übertragen lassen.
Darüber hinaus geht es in diesem Prozess auch darum, den Schüler/innen Bedeutung und Begrifflichkeit der Kompetenzen zu vermitteln und in ihr Alltagswissen zu integrieren, denn mit diesen Begrifflichkeiten werden sie lebenslang zu tun haben.
Lernziel Selbstbewusstsein durch Erfahrung von Selbstwirksamkeit und Handlungsfähigkeit
Drittens kann der KNK Voraussetzungen schaffen, die für Jugendliche die Situation beim Übergang zu Beruf und Studium deutlich verbessern helfen. Die Lebensphase Jugend ist für den einzelnen jeweils von den sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnissen bestimmt, in denen er aufwächst. „Was sie (die Jugendlichen) in diesem Lebens-abschnitt an Kompetenzen und Fähigkeiten erwerben, ist gewissermaßen ihre Mitgift für ihr gesamtes weiteres Leben!“
(Hurrelmann : 35). Doch wo sind die Orte, Räume und Gegebenheiten, in denen die bei den Jugendlichen vorhandenen Kompetenzen entdeckt, gefördert und weiterentwickelt werden, damit sie Selbstbewusstsein aufbauen können, die Erfahrung von Selbstwirksamkeit erleben und so etwas wie eine kritische Distanz zu den gesellschaftlichen Zuständen bekommen, die sie in die Lage versetzt, eigene autonome Entscheidungen zu treffen?
Wenn wir darüber hinaus an die vielen Jugendlichen denken, die sich nach Schulabschluss in falschen Berufen oder Studienfächern befinden und hohe Abbruchquoten mit all den persönlichen und wirtschaftlichen Folgeerscheinungen verursachen, wird klar, dass das Übergangssystem zwischen Schule und Beruf oder Studium nicht länger als eine Art „Verwahrstation“ (Hurrelmann:41) fungieren sollte, sondern sich schon im Vorfeld durch eine gezielte Kompetenzorientierung und Kompetenzförderung herauskristallisieren sollte, mit welchem Kompetenzprofil Jugendliche sich auf den Weg durch das „Ausbildungs- & Studiendickicht“ begeben können.
Durch die Einbeziehung des KNK im Rahmen von kulturellen Bildungsprojekten oder Lehrveranstaltungen im schulischen Alltag lassen sich solche Orte, Räume und Gelegenheiten herstellen. Sie ermöglichen Selbstbestimmungsprozesse durch handlungsorientiertes Erfahrungslernen. Dazu braucht es komplexe, subjekt-bezogene Aufgabenstellungen, wie sie sich in Theater-, Medien-, Literatur-, bildnerischen und medienübergreifenden Projekten stellen.
Diese kulturpädagogischen Ansätze bieten in der Regel einen engen Bezug zur Lebenswelt der Jugendlichen, zu ihren Themen und Fähigkeiten. Indem sie die Stärken der Jugendlichen in den Vordergrund stellen, ermöglichen sie neue Erfahrungen der Selbstwirksamkeit und Handlungsfähigkeit.
Soziale Kompetenzen und Kommunikationsfähigkeit werden durch die Anforderungen der Projektrealisierung und der Arbeit in speziellen Kleingruppen unterstützt, indem sichtbar wird, wie Einzelergebnisse sich in einem gemeinsam gestalteten Gesamtergebnis wiederfinden.
Durch Selbstbeobachtung (z.B. Führen eines Projekt-Tagebuchs) und Fremdbeobachtung (durch die KNK-Berater/in / bzw. qualifizierte Lehrer/in) der Arbeits- und Gestaltungsprozesse kristallisieren sich im Rahmen der unterschiedlichen Anforderungen bei Einzelnen erkennbare Kompetenzen heraus. Im dialogischen Prozess werden diese Kompetenzen dann benannt und fokussiert und können auch in der Gruppe gemeinsam reflektiert werden. Sie bilden dann die Grundlage des individuellen Kompetenznachweises Kultur (KNK).
In diesem Zusammenhang steht der Jugendliche im Mittelpunkt des Validierungsprozesses, d.h. er darf entscheiden, wie damit umgegangen wird und wem der Nachweis zugänglich gemacht wird.
Oftmals führt die Erkenntnis und die Bestätigung der sichtbar gewordenen Kompetenzen innerhalb des Prozesses zu einer Verbesserung des Selbstwertgefühls und schafft damit auch Voraussetzungen, dass Jugendliche sich (wieder) was zutrauen, ihre beruflichen Pläne konkretisieren können, sich Ziele setzen und (wieder) positiv in die Zukunft schauen.
Dieses könnte bei einer entsprechenden Umsetzung auch für Teile der 35 - 40 % von Jugendlichen eines Jahrgangs wirksam werden, die erhebliche Schwierigkeiten mit den Anforderungen der Jugendund Übergangsphase haben und Unterstützung und Hilfe benötigen (vgl. Hurrelmann, a.a.O.:35).
„Die Konsultation Jugendlicher, die im Rahmen der Umsetzung der Euro-Jugendstrategie und der Entwicklung einer eigenständigen Jugendpolitik durchgeführt wurde, zeigt vor allem, dass Jugendliche einen persönlichen Mehrwert im Kompetenzerwerb sehen: Individuelle Stärken werden identifiziert und weiterentwickelt, es werden Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Beteiligung eröffnet und Jugendliche erkennen, dass sie durch ihr Engagement auch ein umfassendes Werteverständnis entwickeln„ (DBJR 2012: 10).
Zu Voraussetzungen und Formen der Umsetzung des KNK im schulischen Kontext
Um die positiven Wirkungen des KNK für die beteiligten Schüler/innen Lehrer/innen und letztlich auch für die Schule entfalten zu können, bedarf es auf der Basis nunmehr über 10 jähriger Anwendungspraxis folgender Voraussetzungen:
Strukturelle Voraussetzungen
- Schaffung eines Anwendungszeitraums von mindestens 50 Ustd., um die Entfaltung des Themas, die Selbst- und Fremdbeobachtung, die Reflexion und den dialogischen Prozess zu ermöglichen.
- Die Umsetzung kann z.B. in Form einer thematischen Projektwoche (ca. 30 Ustd.), weiterführender Bearbeitungs- und Entwicklungsphasen sowie einer Abschlusspräsentation von ca.20 Ustd. in Form einer entsprechenden AG im Nachmittagsbereich oder in Form einer Wahlpflichtveranstaltung erfolgen.
- Die Teilnahme muss freiwillig sein.
- Eine Benotung muss ausgeschlossen sein
Personelle Voraussetzungen
- Die Begleitung des KNK-Prozesses muss durch qualifizierte Lehrerinnen/Lehrer erfolgen, die eine Fortbildung zur KNK-Beraterin/zum KNK-Berater absolviert haben (Dauer: 2 x 2 Tage + Praxisphase).
- Für den zusätzlichen Zeitaufwand, der mit Beobachtung/ Reflexion und Zertifizierung verbunden ist, ist es notwendig, je nach Projektaufwand ein entsprechendes Zeit- bzw. Stundendeputat bereitzustellen.
- Darüber hinaus kann, wenn nötig, auch eine KNK-Beraterin/ein KNK-Berater mit entsprechender Fachqualifikation über die regionalen KNK-Servicestellen angefordert werden, der oder die dann nach Vereinbarung als Honorarkraft den KNK-Prozess innerhalb der Schule in Kooperation mit der jeweiligen Lehrperson durchführt.
Wie der KNK in den Schulalltag kommt – Umsetzung & Erfahrungen
Bei der Teilnahme einer Lehrerin/eines Lehrers an dem 2-tägigen Einführungsseminar zu den Grundlagen des KNK geht es darum:
- das Spektrum der Kompetenzen zu erkennen, die in Formen kultureller Bildung/kultureller Projekte sichtbar werden können und damit die Grundlage einer Praxisanalyse / bzw. eines Anforderungsprofils zu erfahren.
- Kennenlernen, wie Selbst-und Fremdbeobachtung stattfinden kann und
- wie ein dialogischer Prozess entsteht und letztlich: wie ein KNK entsteht und was ihn ausmacht!
Das in diesem Einstiegsseminar vermittelte Basiswissen, der fachliche Austausch und die sehr praxisorientierte Materialsammlung zu den einzelnen Umsetzungsschritten bilden nun die Grundlage für die Anwendung im eigenen Praxisfeld.
Die folgenden Zitate von Lehrerinnen und Lehrern orientieren sich an den vier Schritten der praktischen Umsetzung des KNK im Schulalltag. Sie wurden beispielhaft aus den Abschluss- bzw. Projektberichten der KNK-Berater/innenfortbildung entnommen.
Kommentare zu Schritt 1 : Zur Erarbeitung einer Praxisanalyse bzw. Anforderungsprofils für durchzuführende KNK-Projekte
„Die Erarbeitung eines Anforderungsprofils sorgte für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Ablauf meines Projekts. Ich wusste, auf welche Situationen ich besonders achten musste und setzte mich intensiver als vorher mit den Kompetenzen auseinander, die die Schüler während meines Projekts erwerben konnten bzw. welche Fähigkeiten sie einsetzen müssten, um das gesetzte Ziel zu erreichen.“ (Lehrerin, Förderschule; KNK-Beraterin seit 2013)
„Auch wenn der Zeitrahmen sich im Laufe des Projekts noch geringfügig ändern kann, so hat man mithilfe des Anforderungsprofils eine klare Strukturierung seines Projekts vor Augen und behält die Ziele, die man mit erreichen möchte, immer im Blick. Außerdem wurde ich bei der Erstellung des Anforderungsprofils angeregt, mir darüber Gedanken zu machen, in welcher Phase die Schüler welche Kompetenzen zeigen könnten. Damit wird der Blickwinkel von Anfang an auf etwas Positives gerichtet.“ (Lehrerin, Realschule, KNK-Beraterin seit 2012)
„Es hat mir großen Spaß gemacht, die zu erwartenden Schlüsselkompetenzen, die in jeder Probe von den Schülerinnen und Schülern gezeigt werden können, zu finden, da sich dieser Prozess so sehr von meinem „normalen“ Unterricht als Lehrerin unterscheidet. Die Auseinandersetzung mit den vier unterschiedlichen Bereichen (des KNK) hat mir verdeutlicht, wie wichtig die Theater-AG für mich und meine Schauspieler ist. Durch die Praxisanalyse wurden mir die Ziele meiner Theaterarbeit noch einmal deutlich vor Augen geführt. (Lehrerin, Realschule, KNK-Beraterin seit 2012)
Erfahrungen und Reflexionen zu Schritt 2 des KNK-Prozesses: Selbst- & Fremdbeobachtung
„Im Anschluss eines Treffens schrieb jeder Schüler seine ganz persönlichen positiven Eindrücke in ein Tagebuch, ich tat dies auch. Viele Schüler nahmen ihren Eintrag sehr ernst und setzten sich intensiv mit den Ereignissen der Stunde auseinander. Manchen Schülern fiel es am Anfang schwer, ihr eigenes Handeln zu reflektieren. Im Verlauf konnte ich jedoch beobachten, wie sie Tipps von Seiten ihrer Mitschüler bekamen und versuchten, diese auch umzusetzen. Für mich stellte sich heraus, dass ich die Stärken jedes Einzelnen besser im Blick hatte.“ (Lehrerin Förderschule, KNKBeraterin seit 2013)
„Große Probleme hatten die Schüler dabei, trotz Hilfestellungen im Dialog in schriftlicher und mündlicher Form, ihre eigenen Einschätzungen zu verbalisieren und zu verschriftlichen. In einigen Einheiten des Dialogs war es dabei hilfreich, dass die Schüler sich in Partnerarbeit eingeschätzt haben. Reflexionen waren oftmals nicht konkret genug, sondern bleiben allgemein, wie „Heute habe ich gut gearbeitet!“. Um den Schülern eine Detailsicht auf vorhandenen Kompetenzen und deren Weiterentwicklung zu geben, haben sich in meiner Projektgruppe kleinere Rollenspiele geeignet, bei denen die Teilnehmer vor Probleme in Form von Alltagssituationen gestellt wurden. Die Gruppe beobachtete die Szenen und nannte verschiedene Kompetenzbereiche, die zur Bewältigung der gespielten Situation notwendig und bereits beim Spielenden vorhanden waren.“ (Hauptschullehrerin, KNK-Beraterin seit 2012)
Erfahrungen und Reflexionen zu Schritt 3: Dialogischer Prozess
„Die reflektierenden Gespräche fanden zunächst mit der gesamten Gruppe statt. Wir fingen immer mit einer positiven Runde an, in der jeder Schüler die Gelegenheit bekam, etwas Positives über jemanden aus der Gruppe zu äußern. Dann fanden Gespräche in Zweiergruppen oder in Kleingruppen statt. Anfangs war die Gruppe noch gehemmt, doch im Verlauf wurden die Schüler immer offener und fühlten sich mehr und mehr wohl. Insgesamt empfanden die Schüler unsere Gespräche als eine Art Austausch, der von Teamfähigkeit und Empathie geprägt war. Wenn es Kritikpunkte gab, wurden sie immer in Form von Tipps formuliert.“ (Gesamtschullehrerin, KNKBeraterin seit 2012)
„Mir als Lehrerin ist durch die Gespräche noch einmal ganz deutlich geworden, dass ich im System Schule die Aufgabe habe, nach Fehlern zu suchen und dass ich den Schülern in Klassenarbeiten dies auch noch in Rot bescheinigen muss. Den Blickwinkel auf das Positive, finde ich daher genial. Im merke, wie die Schüler in meinem Projekt aufblühen und zunehmend Selbstbewusstsein aufbauen. Sie beginnen, an ihre Fähigkeiten zu glauben und wachsen teilweise über sich hinaus. Und mit dem KNK habe ich ein Mittel, ihnen diese Fähigkeiten auch zu bescheinigen.“ (Realschullehrerin, KNK-Beraterin seit 2012)
Erfahrungen mit der Erstellung des Kompetenznachweises
„Die Ausstellung der Kompetenznachweise bedeutete für mich, verglichen mit dem Unterrichtsgeschäft, eine ganz neue Erfahrung. Pädagogische Ansätze, die sich eher auf Positivkorrektur und die Arbeit am Vorhandenen, statt an Defiziten orientiert, befürworte ich generell. Dass sich Schüler aber durch ihre eigene Dokumentation in ihren Beobachtungsheften sowie durch die Gespräche in der Dialogphase selbst in das Zertifikat einbringen, empfinde ich als äußerst innovativ. Es stellt neben der Notenvergabe durch die reine Beobachtungs- und Bewertungsperspektive des Lehrers aus meiner Sicht ein neues Modell dar, was in der Schule leider nur in Bruchstücken in Form von Lerntagebüchern Eingang findet.“ (Realschullehrer, KNK-Berater seit 2011)
„Das Formulieren der Kompetenznachweise war sehr arbeitsintensiv, auch wenn sich im Gespräch mit dem Schüler recht zügig die wichtigen Aspekte herausschälten. Auch ein Zitat des Schülers war durch den Tagebucheintrag schnell gefunden. Ein Wunsch von Seiten der Schüler war, dass es den KNK auch in anderen Sprachen geben solle.“ (Lehrerin einer Förderschule, KNK-Beraterin seit 2013)
Projektdurchführung & Wertschätzung
„Die Schüler anzuleiten, den Blickwinkel auf die eigenen Stärken und die Stärken der Mitschüler zu lenken, sorgte für eine durchweg positive Atmosphäre. Diese Atmosphäre nahm den Schülern den Druck, den sie in der Schule häufig verspüren. Sie konnten sich neu entdecken und ausprobieren. Außerdem bekommt die Theaterarbeit durch diese intensive Auseinandersetzung einen ganz anderen Stellenwert und gewinnt an Wertschätzung für die Beteiligten.“ (Gesamtschullehrerin, KNKBeraterin seit 2012)
„Es hat mir persönlich sehr gut getan, den einzelnen Schülerinnen und Schülern die in dem Projekt erworbenen Kompetenzen aufzuzeigen und diese zu diskutieren, weil sie manchmal nicht glauben konnten, dass ich wirklich nur über ihre Stärken reden wollte. Das Vertrauen wurde dadurch gestärkt und die Teilnehmerinnen fühlten sich ernst genommen. Letztlich ist der Kompetenznachweis Kultur für meine Schülerinnen und Schüler eine sehr gute Möglichkeit, ihre Fähigkeiten und ihr spezielles Können abseits des notenbezogenen Zeugnisses zu dokumentieren. Der Spaß, die Freude, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, sowie der Umgang mit den anderen: dies bei den Teilnehmerinnen zu sehen, war mir sehr wichtig.“ (Realschullehrerin, KNK-Beraterin seit 2012)
„Insgesamt ist der KNK eine wunderbare Idee, die Arbeit der Schüler und somit auch meine Arbeit wertzuschätzen.“ (Lehrerin Förderschule, KNK-Beraterin seit 2013)
Diese Zitate aus den Abschlussberichten der KNK-Berater/innenfortbildung machen deutlich, wie sich die Lern- und Erfahrungssituationen im Schulalltag unter Anwendung des KNK-Prozesses für Schüler und Lehrer positiv verändern können. Es entwickeln sich neue Möglichkeiten der Entdeckung und Stärkung von Kompetenzen, die für die beteiligten Schülerinnen und Schüler wichtige neue Erkenntnisse über sich selbst ergeben, die sie mit auf den Weg in eine berufliche Zukunft nehmen können.
Die Entwicklung in der Anwendungspraxis des KNK zeigt, das kulturelle Projekte die auf konzeptionelle und inhaltliche Beteiligung durch die Schülerinnen und Schüler zielen, ein hohes Maß an Erfahrungsräumen für das Erleben von Selbstwirksamkeit und Handlungsfähigkeit ermöglichen und damit zentrale Voraussetzungen für die Herausbildung von Selbstbewusstsein schaffen.
Die positiven und stärkenden Erfahrungen die Jugendliche aus den KNK-Prozessen mitnehmen können und die Bestätigung durch den Kompetenznachweis selbst, steigern das Wissen und Bewusstsein über die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen und bilden damit eine gute Ausgangsbasis für die Berufs- oder Studienorientierung oder für Bewerbungs- und Berufsberatungsgespräche.
In dem Schule - unter anderem- den so beschriebenen non-formalen Lernprozessen mehr Raum gibt bzw. die Bedeutung dieses Bereiches mit seinen Erfahrungs-und Lernmöglichkeiten für die Lebensund Überlebenskompetenzen stärker als bisher beachtet, wird sie den Anforderungen der Zukunft gerecht und kann die Jugendlichen auf die aktuellen und künftigen Herausforderungen der „Zukunftswelt“ besser vorbereiten – was dringend notwendig ist!
- Bundesjugendkuratorium (BJK) (Hrsg.) 2002: Bildung ist mehr als Schule. Leipziger Thesen zur aktuellen Bildungspolitischen Debatte.
- Deutscher Bundesjugendring, O.J. (2012): Strukturierter Dialog: Ergebnisse der Konsultation „Ausreichend wertgeschätzt?“ Anerkennung außerschulischer Bildung, Berlin
- Deutsches Jugendinstitut e.V. (DJI) 2014 : Non-formale und informelle Lernprozesse in der Kinder- und Jugendarbeit und ihre Nachweise
- Hurrelmann, Klaus (2010): Jugendliche 2008 - Sind sie auf die Zukunft vorbereitet? In: Timmerberg/Schorn: Neue Wege der Anerkennung von Kompetenzen in der kulturellen Bildung. Der Kompetenznachweis Kultur. Kopaed, München
- Unveröffentlichte Praxis- bzw. Abschlussberichte zur KNK-Beraterinnenfortbildung 2011-2013 - Archiv der BKJ-Servicestelle NRW